Eine Gemeinde hält Rückschau

Die verlorenen Juden von Unsleben

5. - 10 Jahrhundert

Im 5. – 10. Jht. und im Hochmittelalter(1000 – 1299) gründeten jüdische Siedler in Mitteleuropa die Ashkenazi Judengemeinden. Sie waren Migranten wie viele germanische Stämme der Völkerwanderungszeit. Später als sich die Staaten  bildeten, galten die Juden als Fremde ohne Bürgerrechte. Sie durften kein Land besitzen, keine Berufe ausüben, die durch die Zünfte geregelt waren. Dadurch sollte jede Konkurrenz mit dem etablierten Gewerbe unterbunden werden. Im heutigen Unterfranken war der Bischof auch der weltliche Herrscher, ein sogenannter Fürstbischof.

 

13.- 15. Jahrhundert

Zu Beginn des 13. Jhts. gab es bereits in größeren Städten, wie Würzburg der Hauptstadt von Unterfranken, Progrome. Dementsprechend hat der Fürstbischof von Würzburg 1560 alle Juden des Landes verwiesen mit Ausnahme der reicheren, die der Herzog als Geldverleiher und Geschäftsleute für den Im- und Export brauchte. Christen war es nämlich verboten für Geldverleihen Zinsen zu nehmen und wer würde dies umsonst tun? Diese Oberklasse der Juden erhielt den Schutzbrief vom Bischof, einem Kloster oder anderen halbunabhängigen Stelle.

16. - 18. Jahrhundert

Das Land zu verlassen bedeutete für die Juden aber nicht, Unterfranken zu verlassen, denn das Land war von fremden Herrschaften(dem Landadel) durchlöchert, die nicht vom Fürstbischof abhängig waren, sondern direkt dem Kaiser unterstellt, der ihnen das Privileg gab, Juden in Schutz zu nehmen. Solch ein Adeliger hatte seinen Sitz in Unsleben  und die Schutzgelder, die er verlangen konnte, haben z. B. im 18. Jht. für 30 jüdische Familien etwa 25 % seines Einkommens aus dem Rittergut ausgemacht.

 

Unsleben 1545 - 1810

Die erste Erwähnung von Juden in Unsleben geht auf die Steuerveranlagung von 1545 zurück. Sie nennt jeden einzelnen Haushalt, die Juden aber pauschal und setzt dafür einen halben Gulden an. Das war weniger als der „ärmste“ christliche Haushalt zu geben hatte. Die Judengemeinde kann also zu diesem Zeitpunkt weder zahlreich noch vermögend gewesen sein. Bei der Erbhuldigung von 1589 war überhaupt nicht von Juden die Rede. Hundert Jahre später, 1690, werden aber zwei speßardt´sche Juden namentlich genannt, obwohl 1765 das älteste Gemeinderatsmitglied(damals ca. 70 Jahre alt) aussagt, dass er sich noch an die Zeit erinnern könne, als es keine Juden in Unsleben gab. Vielleicht hatte er die Anfänge oder besser den Neuanfang schon vergessen oder er bezog seine Aussage auf Juden im würzburgischen Dorf. Fakt ist, dass zur Zeit der Schloßherrn von Speßardt bis zum Zeitpunkt der Übergabe an die Familie von Habermann in 1749 die Judenschaft kontinuierlich auf 26 Familien angewachsen ist. 1810 waren es dann schon 38 Familien, zur gleichen Zeit gab es 140 christliche Familien

Unsleben, ein geschlossenes Dorf mit Scheunenriegel und Toren

Man muss dabei bedenken, dass bis 1830 Unsleben zwar keine Stadtmauer hatte, aber ein geschlossenes Dorf mit seinen Toren und Scheunen war, die den Ort wie mit einem Ring einschnürten. Es konnte nur innerhalb des Ringes hier und da noch ein Haus hinzugefügt werden. Mit dem Anwachsen der Judengemeinde wurde das Unterkommen im inneren Schloßbereich immer schwieriger, obwohl eigens dafür Judenhäuser gebaut wurden. Als erstes wurden die christlichen Schloßuntertanen(davon gab es fünf bis sieben) aus ihren Häusern in der unteren Streugasse verdrängt, so waren die Juden immer noch im Einfluss- und Schutzbereich des Schloßherrn, aber dies stieß in der Gemeinde auf Widerstand.  Juden wie Christen hatten zahlreiche Kinder, aber die Kindersterblichkeit war bei den Juden geringer als bei den Christen und so erklärt sich das ungleiche Bevölkerungswachstum und die Konkurrenz um die Wohnhäuser.

 

Konkurrenz um die Wohnhäuseer

Die Konkurrenz um die Wohnhäuser war daher bis in  die Mitte des 19. Jhts. immer Anlass von Unstimmigkeiten zwischen Christen und Juden. Die Juden hatten nicht nur ihre Abgaben an das Schloss zu bezahlen, sondern auch dem katholischen Priester ein Neujahrsgeschenk zu machen(z.B. silberne Löffel) und zwar mit dem Argument, dass die Juden durch den Kauf ehemals christlicher Häuser die Christen aus dem Dorf verdrängen und damit dem Pfarrer Gebühren für seine Dienste(Taufen ,Heirat, Begräbnis) entgehen. Um damals heiraten und eine Familie gründen zu können, musste man nämlich eine Wohnung nachweisen können.

 

Freiheit -Gleichheit - Brüderlichkeit

Die Französische Revolution mit ihren Parolen: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit führte im Herrschaftsbereich Napoleons zur Säkularisation 1803, die  dem Bischof die weltliche Macht nahm, das Kaisertum ging unter, der Landadel wurde nun dem Staat unterstellt.   Für Unterfranken gab es noch eine Übergangsperiode. In Unterfranken war durch Napoleon´s Gnaden vorübergehend Erzherzog Ferdinand von der Toskana der Landesherr bis dann 1816 wieder die Bayern Unterfranken übernommen haben. Zwischenzeitlich hatten die Bayern 1813 ihr sog. Judenedikt erlassen, das den Juden neue Rechte einräumte, aber auch neue Pflichten auferlegte. Sie hatten nun Religionsfreiheit, das Bürgerrecht und durften Grundbesitz erwerben. Es wurde aber die Judenmatrikel eingeführt, d.h. die Zahl der Familien sollte sich nicht vermehren. Sie mussten bleibende Familiennamen annehmen, denn bis dahin hatten sie als Zweitnamen den Namen ihres Vaters an den Vornamen angehängt. Der erstgeborene Sohn erhielt den Vornamen des Großvaters, der auch gleichzeitig der Zweitname seines Vaters war. So konnte es vorkommen, dass z.B. in einer Familie über drei Generationen der Name Simon Jonas und Jonas Simon und Simon Jonas war und diese Namensfolge sich immer weiter fortsetzte.

 

 

Namensgebung

In 1817 mussten die Juden in Unsleben bleibende Nachnamen annehmen: Lilienfeld, Gottgetreu, Donnerstag, Kuhl, Rosenberg, Wollmann, Lamm, Dinkel, Gärtner, Mittel, Kalb, Langer, Tuch, Brandus, Baum, Lustig, Thormann, Liebenthal, Hopfermann, Bein, Friedberg, Engel, Mutter, Apfel, und Bach  Die fett geschriebenen Namen gab es  in Unsleben noch 1932, darüber hinaus gab es  in Unsleben in 1932 die Namen: Blumenthal, Brandis, Goldschmidt, Kälbermann, Krämer, Moritz, Naumann, Rose, Rosenbaum, Stern, Strauß, Wantuch.

Bürger 2. Klasse

Durch das Judenedikt wurden die Juden zumindest Bürger zweiter Klasse mit größeren Rechten, aber auch Pflichten dem Staat gegenüber(Besteuerung). Nur wenige aber verweigerten die bisherigen Abgaben dem Schloss gegenüber, die politische Lage war zu dieser Zeit sehr schwankungsanfällig und sie trauten vielleicht der neuen Lage noch nicht.  Die Juden mussten nach 1817 eine Vermögenaufstellung vorlegen als Grundlage der Besteuerung durch den Staat. Der Bürgermeister von Unsleben beklagte, dass die Juden, wenn es um die Einbürgerung geht sehr reich  sind, weil sie ein Minimum an Vermögen vorweisen mussten, wenn es aber um die Besteuerung geht, scheinen sie sehr arm zu sein. Bis 1830 hatten sich die Dinge aber so geregelt, dass sie keine doppelten Abgaben mehr leisten mussten. Bis 1816 waren die Juden im allgemeinen noch sehr arm, 1833 wurde aber folgende Erwerbsstruktur festgestellt: 1 Großhandelskaufmann,14 Gewerbereibende, 3 Landwirte und 24 Bettler.

Auswanderung

Trotz des Judenediktes gab es noch die Beschränkung der Anzahl der Familien auf den status quo, obwohl es auch Ausnahmen davon gab. Aus den Zahlen der Bevölkerungsentwicklung können wir annehmen, dass eine Großzahl von heiratsfähigen Männern und Frauen innerhalb  ihrer Familie bleiben mussten. Das führte auch zur ersten Auswanderung nach Übersee. einer der ersten war Simson Thomann, der sich in Cleveland/Ohio, damals ein Dorf halb so groß wie Unsleben, niederließ. Er arbeitete als Fallensteller und Pelzhändler. Seine Verlobte ließ er in Unsleben zurück. Durch seine Kontakte in die Heimat hat sich eine Gruppe von 20 Personen, darunter auch seine Verlobte, zusammengetan und unter Moses Alsbacher  1839 die Auswanderung nach Cleveland/Ohio betrieben und nach ihrer Ankunft dort die erste jüdische Gemeinde gegründet.

Alsbacher Dokument

Zum Abschied gab der Lehrer Lazarus Kohn der Auswanderergruppe ein Dokument mit, das die Namen aller jüdischen Familien mit ihren Mitgliedern beinhaltete, insgesamt 233 Personen von damals rund 1000 Einwohnern Unslebens.  Hier der Abschiedsbrief:

Meine lieben Freunde Moses und Jette Alsbacher

Indem ich Euch Ade sage, gebe ich Euch eine Liste von Namen Eurer Glaubensbrüder mit den innigsten Wünschen, Ihr möget diese Namen Euren Erben, ja sogar Euren hoffentlich zahlreichen Urenkeln unter besten familiären Verhältnissen und angenehmen ökonomischen Umständen präsentieren. Ich wünsche ferner und hoffe der Allmächtige, der über Land und Meer herrscht, dem Donner und Stürme gehorchen, möge Euch gute Engel als Wegbegleiter geben, damit Ihr, meine lieben Freunde, unverletzt, heil an Leib und Seele, das Ziel erreicht, das Land der Freiheit.

Aber ich muß als Freund Euch auch um einen Gefallen bitten: Freunde! Ihr reist in ein Land der Freiheit, wo sich Euch die Gelegenheit bietet, ohne religiösen Zwang zu leben. Widersteht dieser Versuchung zur Freiheit und wendet Euch nicht ab von der Religion Eurer Väter. Werft Eure Religion nicht weg wegen irdischer Vergnügen, weil Euch Eure Religion Trost und Ruhe in diesem Leben gibt und mit Sicherheit Glück im anderen Leben beschert. Laßt Euch nicht losreißen von den Gesetzen, in denen Eure Väter und Mütter Sicherheit suchten und fanden. Das Versprechen, gute Juden zu bleiben, möge nie und nimmer gebrochen werden, weder in Eurer neuen Heimat, noch wenn Ihr zu Bett geht, noch wenn Ihr wieder aufsteht, noch in der Erziehung Eurer Kinder.

Und jetzt, meine lieben Freunde, wünsche ich eine angenehme Reise, verzeiht mir die ehrlichen Worte, mit denen der Unterzeichner für immer verbleiben wird Euer wahrer Freund Lazarus Kohn, Lehrer

Unsleben bei Neustadt an der Saale in Unterranken im Königreich Bayern den 5. Mai 1839

Die Synagoge

1837 hat sich die jüdische Gemeinde imstande gesehen, ihre bauliche Situation durch einen Synagogen- und Schulneubau zu verbessern. Die alte Synagoge, eine frühere Remise in der unteren Streugasse, war sehr baufällig. Also kauften sie vom Staat eine der Zehntscheunen in der Kemete  und wollten dort im Erdgeschoss die Schule und im Obergeschoss die Synagoge einbauen. Nachdem sie bis 1850 genug Kapital angesammelten hatten, sollte der Bau beginnen. Aber die Architekten rieten davon ab und so wurde 1853 erst die Schule im Mühlweg gebaut, das Zehntgebäude auf Abbruch verkauft(der Käufer hat es am Ortsausgang Richtung Bad Neustadt rechts wieder aufgebaut) und 1857 die Synagoge von Grund auf neu neben der angrenzenden zweiten Zehntscheune gebaut. Die Neubaukosten der Synagoge betrugen  2500 Gulden. Der Wochenlohn eines Arbeiters betrug damals 1 Gulden.

 

Emanzipation

1856 wurde von den Juden ein Grundstück auf einem Hügel 1,5 km östlich des Dorfes gekauft. Von 1856 bis 1942 fanden 229 Begräbnisse statt, 216 Grabsteine sind noch erhalten, davon allerdings 66 Steine anonym, weil die Glasplatten 1938 von den Nazis zertrümmert wurden. Die jüdische Gemeinde wuchs bis auf 60 Familien um 1860. Ab da begann dann die Abwanderung nach Übersee und in die größeren Städte in Deutschland. Die früheren Beschränkungen, mit denen die bis dahin noch konfrontiert waren, sind ab 1871 entfallen mit Ausnahme, dass Juden keine Richter und Offiziere in der Armee werden konnten. 1906 gab es noch 45 Judenfamilien, diese Zahl fiel bis 1935 vor dem großen Exodus der Familien bis auf 35. 1860 hatte die jüdische Schule 40 Kinder, 1920 aber gab es nur noch 20 Schulkinder, möglicherweise hat die gleiche Zahl noch eine höhere Schule außerhalb des Ortes besucht. Etwa die gleiche Zahl besuchten Mitte der dreißiger Jahre die Schule in Unsleben, 15 Schüler kamen aber aus umliegenden Orten  weil diese Schüler dort aus den öffentlichen Schulen verbannt waren.

Integration

Im Laufe der 100 Jahre von 1830 bis 1930 waren die Juden voll in das Gemeindeleben integriert, jedoch nicht als Kultusgemeinde untergegangen, weil sie ihren Glauben, ihre Sitten und ihre Feiertage bewahrten. Als Nachbarn, als Geschäftspartner, als Unternehmer und Bürger der politischen Gemeinde waren sie akzeptiert. Die Akzeptanz wirkte auch umgekehrt. Als Moses und Mathilde Gärtner, die bei weitem reichste Familie um die Wende zum 20. Jahrhundert, 1912 starben, hatten sie eine Stiftung errichtet, deren Erträge zu gleichen Teilen unter den jüdischen und christlichen Armen des Dorfes verteilt wurden. Noch in den dreißiger Jahren war ein anderes Bekenntnis, auch ein Protestant zu sein, in einem ansonsten katholischen Dorf ein leichtes Stigma. Es waren daher nicht alle Unterschiede zwischen Juden und Christen vorbei. Die Juden waren wohl Mitglieder der verschiedenen Vereine, auch als Vorstandsmitglieder. Sie hatten zumindest ein Mitglied im Gemeinderat.

Die Nazis

Die Situation der Juden in der Volksgemeinschaft und mit etwas Verspätung auch im Dorf musste sich aber abrupt ändern mit der Einführung von Verordnungen gegen die Juden und besonderen Gesetzen zu ihrer Diskriminierung und Unterdrückung durch die 1933 an die Macht gekommene NS-Regierung. Am 1. April 1933 sollten die jüdischen Geschäfte boykottiert werden und dies wurde durch SA-Posten überwacht, im April 1933 wurden auch bereits die jüdischen Beamten in den Ruhestand geschickt, 1935 alle Juden aus dem Staatsdienst entfernt, sie wurden aus den Vereinen ausgeschlossen. Bei der Feuerwehr galt damals, wer kein Mitglied der freiwilligen Feuerwehr ist, wird zwangsweise rekrutiert. Nach dem Ausschluß der Juden aus der Freiwilligen Feuerwehr in Unsleben, fragte der damalige Bürgermeister Herleth(scheinheilig oder schelmisch) beim Bezirksamt an, ob nun die Juden Pflichtmitglied bei der Feuerwehr sein müssten. Darauf hat er keine schriftliche Antwort erhalten, er wurde vielmehr bald durch einen linientreuen Bürgermeister ersetzt. Ganz allgemein wurde schon frühzeitig der Bevölkerung der Umgang mit den Juden untersagt, die Bevölkerung wurde daraufhin immer vorsichtiger, denn es gab sicher auch in Unsleben genug Spitzel, die ein Zuwiderhandeln gegen diese Anordnung, zur Anzeige gebracht hätten. Diesen Abbruch der nachbarlichen und freundschaftlichen Beziehungen haben die Juden damals nicht verstehen können und als besonders verletzend empfunden. Wer wollte aber schon riskieren mit der Gestapo in Konflikt zu geraten oder gar in Dachau zu landen.

Kristallnacht

Das Ziel der Nazis war die Juden loszuwerden. Die Auswanderung ging aber nur langsam vonstatten. Meist sind jüngere, ledige Juden zuerst ausgewandert.

Schließlich kam der 9. November 1938, die sog. „Reichskristallnacht“. Die Erschießung eines Mitglieds der deutschen Botschaft in Paris durch einen polnischen Juden war der Vorwand, einen weiteren Angriff gegen das Leben und vor allem das Eigentum der Juden mit dem Ziel der Vertreibung und dadurch  Vereinnahmung jüdischen Eigentums. Der Staat brauchte nämlich Geld, um die Kriegsvorbereitungen zu finanzieren und so wurde der Judenschaft eine Sühne von 1,25 Milliarden Reichsmark für die Ermordung des Botschaftssekretärs auferlegt, was damals 6% des Jahreshaushalts ausmachte. Damals hat die SA und SS mit offensichtlicher Billigung der NS-Führung randalierende Angriffe auf jüdisches Eigentum und auf die Synagogen durchgeführt. Auch in Unsleben waren einheimische SA- und SS-Angehörige verstärkt durch solche aus Thüringen an den Ausschreitungen gegen die Juden beteiligt. Hier wurde die Einrichtung der Synagoge zerstört, nachdem die Juden aber bereits im Spätsommer 1938 die Thora-Rollen und Bekleidung ausgeräumt und in Sicherheit gebracht hatten. Ein Brand wie z.B. in Mellrichstadt, hätte das halbe Dorf in Brand gesteckt.  Die bevorstehende  Aktion der Parteibasis war offensichtlich schon zu den Juden durchgesickert. Sie versteckten sich oder setzten sich in andere Orte ab, wo sie sicher sein konnten. Neben den Übergriffen auf das Eigentum sollten nämlich auch tausende von Männern, insonderheit wohlhabende verhaftet werden. Die Männer von hier wurden, soweit sie sich durch Hinweise nicht nach auswärts begeben oder unauffindbar versteckt hatten, in ihren Häusern aufgespürt und teils mit Gewalt zu dem Sammelplatz, dort wo die Enggasse in die Streugasse mündet, gejagt und wo ein LKW stand, auf den die Aufgestöberten gescheucht und nach Neustadt ins Gefängnis in „Schutzhaft“ gebracht wurden, angeblich um vor der Volksmenge sicher zu sein. Das hat den letzten Optimisten unter den Juden, die glaubten das tausendjährige Reich aussitzen zu können, klar gemacht, dass sie nun schleunigst die Auswanderung betreiben müssen.

 

Die jüdische Gemeinde wird vertrieben

Die Kristallnach hat den letzten Optimisten unter den Juden, die glaubten das tausendjährige Reich aussitzen zu können, klar gemacht, dass sie nun schleunigst die Auswanderung betreiben müssen. Großes Glück hatten diejenigen, die bereits einen Verwandten in den Staaten hatten, der für sie bürgte. Nur wenige Länder haben damals den Juden die Einreise ermöglicht. Zielländer waren auch Südafrika, Brasilien, Uruquay, Chile und Palästina, das heutige Israel. Viele. die die USA zum Ziel hatten, mussten sich in Cuba in ein Lager begeben und konnten erst nach über Jahre sich hinziehendem Warten ein Visum für die USA erhalten. Die Unslebener Juden, die die Einreise in die USA schafften, haben sich alle in New York in einem Stadtviertel niedergelassen und dort sogar nach einiger Zeit eine eigene Synagoge, das Elmhurst Jewish Center gegründet. Sie hatten ja sogar ihre Thorarollen mitgebracht.  Nach Kriegsbeginn war aber kaum noch eine Ausreise möglich. Die, die die Ausreise nicht geschafft haben, wurden 1942 nach Izbica in Polen deportiert und sind dort ermordet worden. Die alten, nicht mehr arbeitsfähigen, kamen über die Zwischenstation Würzburg 1943 in das KZ Theresienstadt, wo sie unter den Strapazen starben. Nur eine Frau konnte im Februar 1945 mit einem Hilfstransport des Roten Kreuzes von 1000 Personen in die Schweiz gebracht werden.

 

Das Ende der jüdischen Gemeinde

Geblieben ist von der jüdischen Kultusgemeinde ihre Synagoge ,ihre Schule, der Friedhof, ihre Wohnhäuser und für die Zeitzeugen die Erinnerung an das jüdische Leben. Mit dem Verschwinden der Zeitzeugen bleiben die steineren Zeugnisse als Mahnmal für das Unrecht, das der Juden- Gemeinde widerfahren ist und das Versprechen, dass Ähnliches in unserer Gemeinde, in unserem Lande nie mehr vorkommen darf.

Judenhäuser/-wohnungen 1932
Haus-Nummer bis 2004                  heute
Bach Maier                        111       Hauptstr. 14
Bach Moses                          8 3/4  Hauptstr. 32
Blumenthal Maier               631/2   Mühlgraben 3
Brandis Adolf und Emil       11        Schloßgasse 1
Brandus Julius u. Siegmund16     Schloßgasse 11
Brandus Nanni                    56        Streugasse 17
Donnerstag Bernhard         75        Streugasse 16
Engel Aaron                        55        Streugasse 15
Goldschmidt Jettchen         79        Enggasse 20
Kälbermann Arthur               8 3/4  Hauptstr. 32
Krämer Sally                       54       Streugasse 15
Kuhl Gabriel                        19       Schloßgasse 17
Kuhl Heinemann u. Justin   15       Schloßgasse 7
Liebenthal Heinrich            171      Hauptstr. 38
Liebenthal Fritz                   171      Hauptstr. 38
Liebenthal Julius Otto         171      Hauptstr. 38
Liebenthal Lina                     13      Schloßgasse 5
Lustig Bernhard                    49      Streugasse 7
Mittel Emanuel                      74       Streugasse 18
Mittel Josef                            44       Streugasse 8
Mittel Karl I                            45       Streugasse 10
Mittel Karl II u. Siegfried      70       Mühlenweg 2

Mittel Karolina                       115      Hauptstr. 13
Mittel Kuno                            81      Geiersgasse 3
Mittel Max                              49       Streugasse 7
Mittel Selli                              47       Streugasse 12
Mittel Simon                         117       Hauptstr. 18
Mittel Sofie                             42       Steugasse 4
Mittel Theo                           108       Hauptstr. 6
Moritz Max                           171       Hauptstr. 38
Naumann Max                     115       Hauptstr. 13
Naumann Jeanette               86       Geiersgasse 1
Naumann Ludwig                  87       Enggasse 18
Naumann Nathan                 76       Streugasse 16
Strauß Isaak                          71       Mühlenweg 1
Wantuch Martha                   76       Streugasse 16
36 Haushalte, 30 Häuser

Nachkriegszeit

Nach dem Krieg verlangte die Jüdische Organisation zur Wiedergutmachung, dass die Besitzer ehemaliger Judenhäuser und Felder,  die Differenz des normalen Marktwertes im Vergleich zum zu niedrigen damaligen Kaufpreis nachzahlen müssen. Das haben die neuen Eigentümer nicht verstanden und sich beklagt, dass sie  die damals gekauften Häuser und Felder noch einmal bezahlen müssen. Das war für viele ein neuerlicher Stein des Anstoßes gegen die Juden.

Die Unslebener sahen wohl, dass die Juden durch die gegen sie ergriffenen Schikanen der Nazis es leid waren, noch  hier zu wohnen und auswanderten. Sie sahen auch, dass die zuletzt noch hier verbliebenen unfreiwillig abgeschoben wurden. Aber dass ihnen das Schicksal des Holocaust bevorstand, konnte sich kaum jemand denken. Als deswegen nach dem Krieg die Wahrheit Stück für Stück ans Licht kam, waren sie sprachlos und voller Scham. Diese Stimmung verflüchtigte sich erst langsam, als die letzten Einwohner, die diese Vorgänge der Verdrängung und Abschiebung der Juden bewusst miterlebt hatten, ausstarben. Erst dann haben geschichtsbewsste Gemeindemitglieder die Sprache wieder gewonnen und dafür gesorgt, dass diese Phasette der Gemeindegeschichte in mahnender Erinnerung bleibt.

Wir erinnern uns der Ermordeten

What remains as a permanent remembrance is that the meeting hall of the community once was the synagogue of a Jewish community and the existing of a cemetery, which serves as a demonstration object for children as early as in the kindergarten. To remember us on what once has been possible in our village and what never again may happen the community set up a monument honoring the victims of the Holocaust. After the war a few Jews visited Unsleben, went through the streets, looked at their former homes and visited the cemetery where their parents, grandparents, maybe even their partner was buried. Most of them did not contact the local people. In 1999 for the first time a group of about 40 persons, four of them born in Unsleben visited Unsleben and were heartily welcome by the community authorities and the population. Today the community is happy to welcome visitors, relatives of former Unslebener Jewish families and to show them the places where their ancestors lived and where many of them found their eternal rest.