Dies ist ein Ort, an dem sich Werte und Technologie begegnen

Er erzählt vom Zusammentreffen von Menschen, die den Wunsch haben, einander besser zu verstehen, und wie die digitale Bildbearbeitung und interaktive Medientechniken diesen Wunsch Wirklichkeit werden lassen.
Es ist auch ein Beispiel dafür, wie sich Dinge entwickeln können, wie aus einer simplen Idee eine mächtige Aktion werden kann.
Vor allem aber ist dies eine Demonstration der Macht gemeinsamer sozialer Werte, des Glaubens an das Gute im Menschen und der Fähigkeit von Kommunikationstechniken, gegenseitiges Verständnis unter den Menschen und jenseits aller Konflikte zu fördern.
Wenn eine ehemals vitale Kultus-Gemeinde aufhört zu existieren, dann hinterlässt sie gegenständliche Spuren der verschiedensten Aspekte des Gemeinschaftslebens. Diese Spuren sind in aller Regel konkret: öffentliche Gebäude, Privathäuser, Friedhöfe oder Kunstgegenstände.
Der Sinn der Beschäftigung mit einer solchen früheren Kultus-Gemeinde ist es, dem Betrachter zu ermöglichen, Geschichtsforschung an diesen Zeugnissen unmittelbar zu erleben.
Dieser Internetauftritt beschreibt ein laufendes Dokumentationsprojekt, das historische Forschung kombiniert mit interkultureller Bildungsarbeit, mit angewandten Bildgebungsverfahren und mit einem Überdenken von Gruppenidentitäten.
Das konkrete Dokumentationsprojekt, das hier diskutiert wird, hat einen jüdischen Friedhof zum Gegenstand, gelegen in Unsleben an der Streu und Els, einem Dorf in Nordbayern, Deutschland.

 

Grußwort des 1.Bürgermeisters Michael Gottwald zu „judaica – unsleben“

Pädagogik, Historie und ein brisantes Thema deutscher Zeitgeschichte ist das Material einer mit hohem Aufwand hergestellten Homepage, deren Wert für die Nachwelt nicht hoch genug eingeschätzt werden kann.

In Unsleben lebten über die letzten Jahrhunderte bis zur Zeit des Dritten Reiches bis zu 250 Personen, Familien, Frauen, Männer und Kinder jüdischen Glaubens. Sie waren angesehen, hatten sich in Vereinen und für das dörfliche Leben engagiert. Die Kinder spielten auf den Gassen miteinander und waren nur durch die jeweiligen Schulen und Glaubensrituale getrennt.

Die Erwachsenen arbeiteten und betrieben Handel miteinander. Die Vielzahl jüdischer Geschäfte, deren Produkte den Bürgern in Unsleben heute noch bekannt sind, ließen den kleinen Ort zu einem blühenden Handelszentrum der regionalen Wirtschaft werden. Kultur und Vielfalt, Toleranz und Akzeptanz unterschiedlicher Religionen haben Unsleben zu einer weltoffenen Gemeinschaft werden lassen, was sich bis in die Gegenwart feststellen lässt.

Das Hitler- Regime hat einen Keil in dieses Miteinander getrieben und die Völkergemeinschaft zerstört. Die letzten 19 Juden Unslebens wurden 1942 ins ostpolnische Izbica deportiert, wo sie in verschiedenen umliegenden Konzentrationslagern ermordet wurden. 2007 durfte ich mit einer mainfränkischen Delegation dort hinreisen und neben Besuchen der Todeslager einen Gedenkstein einweihen. Diese Erfahrung hat mich noch intensiver für das Thema sensibilisiert und geprägt. Die Nähe zur Todesmaschinerie der Nazis war beklemmend und sollte mich dauerhaft beschäftigen.

Unsleben selbst hat einen Ort des Erinnerns an seine letzten jüdischen Mitbürger in Nähe der ehemaligen jüdischen Synagoge errichtet. Die Tragödie um das Leid der Juden und vieler weiterer Menschen unterschiedlicher Nationen und Minderheiten, welches von deutschen Nationalisten zu verantworten ist, lässt uns noch heute erschaudern. Zugleich fasziniert die Zivilcourage mancher damaliger Mitbürger und Verwandte. Mein Opa Georg, selbst in den beiden Weltkriegen eingesetzt, erzählte mir als Kind, in langen Abenden, von seinen Erlebnissen. Er sprach auch davon, wie er selbst jüdische Bürger im Heu der Scheunen versteckte, um sie vor den Verbrecher- Schergen zu schützen. Wie gefährlich dies war, ließ sich noch so viel später in seinen zurückhaltenden, ja vorsichtigen Erläuterungen erahnen.

Die Erstellung der Homepage „judaica- unsleben“ ist eine Kooperation zwischen der University of Yale/USA mit dem Hadassah College in Jerusalem und dem Rhön- Gymnasium Bad Neustadt unter Anleitung hochrangiger Experten. Ich habe sehr großen Respekt vor Günter Henneberger und seinen Schülern, dass sie sich diesem sensiblen und komplexen Abschnitt deutscher Geschichte widmen. Die Qualität mit der Prof. Moshe Caine und seine Studenten in Jerusalem eine hochwertige und spannungsgeladene Internetseite produziert haben, ist auszeichnungswürdig. Nicht zuletzt dem unermüdlichen Engagement von Prof. Josef Hesselbach in hohem Alter, um die lokalen Ereignisse und Erfahrungen in Worte zu fassen und zu übersetzen, muss ein besonderer Stellenwert eingeräumt werden. Wir haben gemeinsam ein Werk geschaffen, welches seinen Beitrag zur Aussöhnung und Völkerverständigung zwischen den Nationen, für heutige und nachfolgende Generationen bereitstellt.

Michael Gottwald, 1. Bürgermeister von Unsleben im April 2017